Best Practices für eine erfolgreiche Modernisierung von Legacy-Systemen
Im vorherigen Artikel haben wir beleuchtet, warum die Modernisierung von Legacy-Systemen unvermeidbar geworden ist, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist und weshalb viele Unternehmen zu spät reagieren. In diesem zweiten Teil geht es nun um die Praxis: Wie gelingt der Wandel wirklich?
Denn Modernisierung ist kein einmaliges IT-Projekt, sondern ein langfristiger, strategischer Transformationsprozess. Erfolgreiche Unternehmen folgen dabei einer Reihe von Best Practices, die technische, organisatorische und kulturelle Dimensionen berücksichtigen.
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1. Ausgangslage analysieren
- Technisches Assessment: Welche Technologien, Schnittstellen und Abhängigkeiten gibt es?
- Business-Relevanz: Welche Funktionen sind kritisch, welche optional?
Tipp: Zuerst verstehen, was wirklich gebraucht wird.
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2. Fachbereich eng einbinden
- Workshops: Welche Funktionen sind für Anwender unverzichtbar?
- Abstimmung: Welche Features können temporär wegfallen oder später nachgezogen werden?
Tipp: Darüber nachdenken: was soll die Applikation in 3-5 Jahren können?
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3. Zielarchitektur und Roadmap definieren
- Zielbild: Welche technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen gibt es? Soll die App modularisiert, in Microservices zerlegt oder durch SaaS ersetzt werden?
- Etappen: Festlegen, welche Module zuerst modernisiert werden
- Entspannen: Technische Schulden transparent machen und schrittweise tilgen.
Tipp: Ein klarer Fahrplan verhindert, dass man sich in Detailmodernisierungen verliert. Monolith nicht sofort komplett ersetzen, sondern gezielt modularisieren.
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4. Iteratives Vorgehen wählen
- Iterativer Ansatz, z.B. Strangler Fig Pattern: Neue Module schrittweise neben die alte App stellen; API-Gateways als Brücke zwischen Alt- und Neusystem.
- Pilot-Release: Erst ein Teilbereich (z. B. Rechnungsstellung) modernisieren, testen, dann ausrollen.
Tipp: Lieber kleine Erfolge liefern als auf den Big Bang warten. Zuerst Services mit hohem Business Impact herauslösen (z. B. Kunden-Login, Zahlungsabwicklung).
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5. Modularisierung und Microservices pragmatisch einsetzen
- Modularisierung: Fachlich zusammenhängende Funktionen in Module schneiden (z. B. User, Orders, Billing)
- Microservices: Dort einsetzen, wo Skalierung oder Geschwindigkeit entscheidend ist
Tipp: Nicht jede Funktion braucht sofort einen Microservice.
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6. DevOps und Automatisierung einführen
- CI/CD-Pipeline: Für die Applikation automatisierte Builds, Tests und Deployments einrichten
- Monitoring: Fehler und Performanceprobleme in Echtzeit sichtbar machen, Analysemechanismen einbauen (z.B. User Analytics)
Tipp: Jede Modernisierung ohne Tests und Monitoring ist ein Blindflug.
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7. Datenmigration sorgfältig planen
- Bestandserfassung: Welche Daten sind relevant und welche können archiviert werden?
- Strategie: API-gestützte Migration oder paralleler Betrieb mit Synchronisation
Tipp: Daten sind meist der größte /ul>Stolperstein – hier besonders gründlich sein.
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8. Team und Kultur mitnehmen
- Upskilling: Skill-Gap-Analyse durchführen, EntwicklerInnen und ArchitektInnen in modernen Technologien (z. B. Kubernetes, Cloud) schulen
- Ownership:
- Das Team, das die App betreibt, modernisiert sie auch – zumindest den Code (Intellectual Property). Infrastruktur und Betrieb ist Commodity und kann von Partnern übernommen werden.
- Interdisziplinäre Teams für Services bilden („You build it, you run it“).
Tipp: Modernisierung funktioniert nur, wenn die Menschen mitziehen.
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9. Sicherheit und Compliance von Anfang an
- Security-by-Design: Zugriffskontrolle, Verschlüsselung und Auditing früh integrieren
- Compliance: Anforderungen wie DSGVO, länder- oder branchenspezifische Regeln berücksichtigen
Tipp: Sicherheit ist kein Add-on, sondern Fundament.
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10. Kontinuierliche Weiterentwicklung von Anfang an mitdenken
- Feedback-Loops: Nutzerfeedback regelmäßig auswerten und Verbesserungen einplanen
- KVP: Auch nach der Modernisierung weiter refaktorieren und anpassen
Tipp: Modernisierung endet nicht mit dem Go-Live.
Stolpersteine und Lösungsansätze
Die Modernisierung einer Anwendung bringt viele Vorteile, doch sie ist selten frei von Fallstricken. Wer die typischen Stolpersteine kennt und gezielt adressiert, spart Zeit, Kosten und Nerven.
| Möglicher Stolperstein | Lösung |
|---|---|
| Fehleranfällige Schnittstellen | Sauberes API Design (OpenAPI, REST, gRPC), Versionierung und API-Gateway mit Monitoring) |
| Verteilte Datenhaltung | Event-Driven Architecture, klare Daten-Domain-Ownership |
| Teamorganisation (Conway’s Law) | Cross-funktionale, fachlich orientierte Teams entlang der Business-Domains bilden |
| Technische Schulden werden verschoben | Überprüfen der Strategie (z.B. Refactoring oder Reachitecuring), Clean-Code-Prinzipien, automatisierte Tests und Code-Reviews |
| Überambitionierte Microservices-Strategie | Schrittweise Modularisierung, Microservices nur dort, wo sie echten Mehrwert bringen |
| Komplexe Datenmigration | API-basierte Migration/ETL, Probeläufe mit Teilmodulen, Rollback-Pläne |
| Fachbereich verliert Anschluss | Workshops, kontinuierliche Kommunikation, sichtbare Quick Wins |
| Sicherheit erst zum Schluss bedacht | Security-by-Design3, Zero-Trust-Ansatz4, Compliance-Check in jeder Projektphase |
| Unterschätzter Betriebsaufwand | DevOps-Ansatz, CI/CD, Infrastruktur-as-Code, Observability und klare Betriebsprozesse |
| Kultureller Widerstand im Team | Upskilling, Wertschätzung vorhandenen Wissens |
Fazit
Die Modernisierung von Legacy-Systemen ist kein Sprint, sondern ein strategischer Marathon. Modularisierung und Microservices spielen dabei eine Schlüsselrolle: Sie ermöglichen schrittweise Entkopplung, unabhängige Deployments und die Basis für Cloud-native Architekturen.
Wer den Wandel methodisch angeht – von der Modularisierung über erste Services bis hin zur Microservices-Landschaft – kann Risiken minimieren und echte Wettbewerbsvorteile schaffen. Denn moderne IT ist nicht nur schneller – sie ist auch sicherer, skalierbarer und zukunftsfähiger.








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